Ohne jeden Reiz.

Humoreske von J. Korus
in: „Rhein- und Ruhrzeitung” vom 6.6.1896


Oberst a. D. Vandenbosch blickte verblüfft im Kreise ringsum, er sah nur lachende Gesichter, — selbst Christian, welcher eben die Kerze auf dem Rauchtischchen anzündete, riskierte ein leises Schmunzeln, das seinem roten Gesicht einige Aehnlichkeit mit einen Nußknacker verlieh.

„Na. was gibt's denn da zu lachen?” polterte der Oberst und drehte die rechte Schnurrbartspitze kampflustig in die Höhe; ich wiederhole nochmals, sie soll ohne jeden Reiz sein!”

„Und ich behaupte, Kurt,” rief seine schöne Nichte Alice, die Frau Rittmeister Lobenstein,„daß es überhaupt kein weibliches Wesen gibt, welches über keinen einzigen Reiz verfügt, und eigentlich warst Du selbst bis jetzt ein ausgesprochener Anhänger dieser Theorie!” Dabei zwinkerte sie etwas malitios mit den Augen, was den Oberst etwas in Verlegenheit zu setzen schien.

„Na ja!” brummte er,„aber alles hat einmal sein Ende! Ich bin jetzt mit Gottes Hilfe achtundfünfzig Jahre alt geworden, und habe als alter Soldat tapfer allen Versuchungen der Welt stand gehalten — Du brauchst nicht zu husten, Lobenstein — nun möchte aber mein innerer Mensch sozusagen vor sich selber zur Ruhe kommen. Da habe ich mir nun das nette Häuschen hier gekauft und jetzt brauche ich vor allem eine Haushälterin gesetzten Alters, sagen wir zwischen vierzig und fünfzig. Erste Hauptbedingung: Gute Kenntnisse in allen Fächern der Hauswirtschaft; zweite Hauptbedingung: Ohne jeden Reiz.

Wieder brach die kleine Tafelrunde in ein schallendes Gelächter aus.

„Nee, Kurt, das hätte ich doch nicht von Dir geglaubt, daß Du auf Deine alten Tage noch in ein Schafsfell kriechen würdest!” rief Lobenstein lachend aus.

Der Oberst sah ihn starr an. „Du wirst mich doch nicht für einen Wolf halten” rief er entrüstet aus, nachdem er die Anspielung verstanden hatte, er war mitunter etwas schwer von Begriff.

„Christian"” rief Alice dem Burschen nach, welcher eben mit einem Stoß Teller in die Küche hinausgehen wollte.

Er machte stramm Kehrt. „Zu Befähl Frau Rittmeischter!” sagte er in seinem schönstem Schwäbisch - er war aus dem Schwarzwald gebürtig.

„Deine Schwester ist doch Haushälterin, wäre das nichts für den Herrn Oberst?”

„Noi, i glaub net!” meinte Christian, verschmitzt grinsend, „sie ischt net wüscht gnug!”

Diesmal lachte auch sein Herr mit.

„Weißt Du, Onkel Oberst,” sagte die kleine Paula Berghoff, die Schwester Alicens,„es wird gar nicht so leicht sein, Dir Deinen Wunsch zu erfüllen; vor allem darfst Du gar nicht daran denken, Dein Gesuch in die Zeitung einzurücken, denn Du wirst wohl selbst nicht erwarten, daß sich darauf Eine meldet.”

„Das ist wahr!” gab der Oberst nachdenklich zu.

„Selbstverständlich!” sagte Paula.„Es wird deshalb am besten sein, Alice und ich sehen uns nach einer passenden Vogelscheuche um. Du siehst sie Dir natürlich vorher an, ob sie Deinen Ansprüchen genügt. Ist Dir's so recht, Onkelchen?”

„Natürlich!” rief der Oberst. „Das wäre wirklich nett von Euch, wenn Ihr mir das abnehmen wolltet, aber nochmals - ohne jeden Reiz!”

„Gut!” lachte Alice, „sie soll Schlitzaugen haben, eine Himmelfahrtsnase, Henkelohren, einen zahnlosen Mund — ”

„Ne, nee, Du!” rief der Oberst hastig. „Das ist mir zu unappetitlich, Zähne muß sie haben!”

„Aber sie dürfen hohl sein!” spottete der Rittmeister, „das wird ne nette Nummer geben; Christian wird sich schon darauf freuen, was?”

„Des ischt mir oins,” meinte der gleichmütig, „wenn se nur guet koche ka!”

„Aber Onkelchen, das mußt Du fest versprechen,” schmeichelte Paula, als zum Aufbruch geblasen wurde, „wenn sie Dir gefällt und Du folglich mit unseren Bemühungen zufrieden bist, dann setzest Du uns Pfingstsonntag, das wäre also heute in vierzehn Tagen, eine Deiner berühmten Erdbeerbowlen an, — ja, willst Du?”

„Einverstanden, Schmeichelkatze!” schmunzelte der Oberst und drückte einen väterlichen Kuß auf die Wange seiner Lieblingsnichte.

„Da hast natürlich wieder was vor,” wandte sich Alice neugierig an ihre Schwester, welche stillvergnügt und ungewöhnlich schweigsam neben ihnen herging.

„Ja.” sagte Paula,„wenn aus meinem Plan etwas wird, dann sollt Ihr was zu lachen bekommen, aber jetzt verrate ich noch nichts! Du könntest mir wohl den Gig leihen, Eugen!” bat sie ihren Schwager, „ich möchte gerne mit Alice morgen früh zu Brandts nach Trautheim fahren. Ja! Geh, sei lieb!”

„Meinetwegen!” sagte Lobenstein gutgelaunt, „nur bitte ich mir aus, daß Ihr Punkt zwei Uhr zum Essen wieder da seid. Verstanden!” — —

Eine Woche danach erhielt Oberst Vandenbosch morgens ein niedliches Kärtlein, in welchem Alice ihm mitteilte, daß eine in jeder Hinsicht reizlose Haushälterin gefunden sei, er möge so gut sein, sie in Augenschein zu nehmen.

Mit einer gewissen Spannung machte der Oberst sich auf den Weg.

Bei Lobensteins empfingen ihn die beiden Damen schon auf der halben Treppe, sie schienen in heiterster Stimmung zu sein.

„Wo ist sie?” rief er erwartungsvoll.

„In der Küche,” entgegnete Alice. „Gehe nur mit Paula ins Wohnzimmer, ich hole sie rasch.”

„Du denkst doch noch an die Bowle, Onkel?” fragte seine Richte schelmisch: „Du kannst bei der Gelegenheit den Pavillon einweihen!”

„Die Bowle ist Euch sicher, aber erst muß ich sie doch sehen.”

Dem Oberst blieb das Wort im Halse stecken, denn eben ging die Thüre auf und mit Alice zugleich trat ein Weib von einer solch unerhörten Häßlichkeit ein, daß er einfach starr war. Seine kühnsten Erwartungen wurden hier übertroffen.

„Nun lassen Sie sich ruhig ansehen, Barbara,” ermahnte Paula, mühsam ihr Lachen verbergend. „Sie wissen ja, worauf der Herr Oberst hier vor allem sieht!”

Die Angeredete grinste, wobei sie einen Mund voll großer gelber Zähne zeigte.

„Mindestens vierzig,” dachte der Oberst mit leichtem Schauder, — zugleich pflanzte sie sich stramm vor ihm auf und legte ihre großen knöchernen Hände an die Stelle, wo sich beim männlichen Geschlecht die Hosennaht befindet.

„Sie kann kochen!” fragte, etwas außer Fassung gebracht, der Oberst, nur um etwas zu sagen ,— in einer entfernten Ecke des großen Zimmers kamen die beiden Damen fast um vor Lachen.

„So ist's, Herr Oberst!” entgegnete die Gefragte mit lakonischer Kürze.

Der Oberst nahm dabei wahr, daß sie über einen sogenannten Bierbaß verfügte.

„Auch nähen und flicken?” fuhr er im Examen fort.

„Wird sich schon gehen, Herr Oberst!” beruhigte Jungfer Barbara und rieb sich überlegend das Kinn; daraufhin beschloß der Oberst, von jetzt ab seine Rasiermesser einzuschließen.

„Versteht Sie auch etwas von Gartenarbeit!” forschte er weiter.

„So lang ich Hosen trage, hab ich Sie mit so Dinge zu thun gehabt!” lautete die Antwort.

Der Oberst bemerkte noch, wie Alice und Paula fast schreiend vor Lachen aus dem Zimmer rannten, dann folgte er ihnen mit unglaublicher Plötzlichkeit nach. Lobenstein behauptete hinterher, das sei das erste Mal gewesen, daß der Oberst sich geschämt habe.

Die drei hatten sich im anstoßenden Salon vereinigt und als sie sich einigermaßen beruhigt hatten, frug Paula:

„Nun. Onkelchen, bekommen wir die Bowle?”

„Natürlich, Kind,— natürlich!” schnaubte etwas atemlos der Oberst. - „Aber sag mir nur um Himmelswillen,, wie bist Du an das Monstrum gekommen?!”

„Ganz zufällig, Onkel! Ich fuhr zu Brandts und da sah ich sie. Ich konnte sie gleich mitnehmen, da sie keine Stellung hatte. Sie war lange krank, die arme Person, hat den Typhus gehabt, deshalb trägt sie auch die Haare kurz, weißt Du!”

„Soso,” sagte der Oberst,„deshalb. Nein, aber dieser Riechkolben! so was hätte ich bei einer Frau nicht für möglich gehalten, ich glaube, sie hat etwas wie Elephantiasis daran!”

Paula lachte laut auf. „Aber das ist ja nur äußerlich, Onkei! Oder sollte sie Dir wirklich doch zu reizlos sein?”

Der Oberst verwahrte sich entrüstet dagegen.

„Wann kann sie denn bei mir eintreten?”

Gleich heute schon, — soll sie gegen Abend kommen, Kurt?” fragte Alice.

„Gut! Punkt sechs soll sie antreten, da ist Christian im Haus fertig und kann sie gleich ein wenig im Garten anleiten. Und wenn wir uns vorher nicht mehr sehen sollten, Kinder, dann bleibt's dabei, Pfingstsonntag tretet Ihr in corpore an, so um viere etwa, zum Kaffee und abends wird eine famose Erdbeerbowle angesetzt, da wollen wir noch mal fidel sein! Adieu, Kinderchens! —

II.

„Das war noch mal'n Genuß heute,” schmunzelte der Oberst befriedigt, als er von der Pfingstpredigt nach Hause kam. „Es ist ganz wohlthuend, wenn sich der Mensch ab und zu auch innerlich reinigt. Aber nur keine Kopfhängerei, das ist vom Uebel!”

Dann ging er in den Garten und schnitt sorgsam einige der schönsten Rosen ab, welche er den Damen heute verehren wollte.

Nach dem Essen hatte er ein bißchen gedöst, jetzt machte er sich zurecht, drehte den Schnurrbart nochmals nach allen Regeln der Kunst und stieg rasch noch einmal in die Küche hinunter, um nach dem Rechten zu sehen. Beim Fortgehen wandte er sich noch speziell an Barbara, welche auf dem Fleischblock saß — der Oberst bemerkte es zum Glück nicht — und die Kaffeemühle drehte.

„Daß Sie mir ja reine Hände hat, verstanden!” ermahnte er eindringlich, „und pflege Sie Ihre Nägel etwas mehr, man könnte sonst auf den Verdacht kommen, Sie habe Ihre Großmutter damit aus dem Grabe gekratzt! Und nun komme Sie mit, unser Besuch ist schon in Sicht, mache Sie fix!”

„Zu Befehl, Herr Oberst!”

Jungfer Barbara machte linksum kehrt und trabte auf die Gartenthüre zu, vor welcher die Erwarteten im Moment ankamen.

„Willkommen allesamt” rief der Oberst heiter und machte sich im Verein mit Barbara galant daran, den Damen die Hüte und Jackets abzunehmen, was ihm übrigens besser gelang, als seiner „Stütze”, welche aus Leibeskräften an den Aermeln zog und zerrte.

Nachdem der Oberst seinen Gästen die frisch hergerichteten Beete und Wege des terrassenförmig angelegten Gartens gezeigt hatte, geleitete er sie nach dem neuen Pavillon, welcher geschmackvoll aus weißem Sandstein gebaut war und von einer schattigen, von Clematis und wildem Wein umrankten Pergola umzogen war. Hier war ein appetitlicher Kaffeetisch hergerichtet worden, Christian zündete gerade die Maschine an.

„Ich hab's ihm überlassen müssen,” sagte der Oberst erklärend,„die Barbara ist der größte Tapir, der je existiert hat. Gleich am ersten Tage hat sie mir die Maschine dadurch ruiniert, daß sie den Spiritus anzündete, ohne oben Wasser eingefüllt zu haben, natürlich brannte ein Loch in den Boden! Nee, das ist ein Weib! Ich sage Euch, so was habt Ihr noch nie erlebt!”

„Bist Du denn nicht mit ihr zufrieden?” frug Paula, um deren Mund fortwährend ein schelmisches Lachen zuckte, „sie wird doch hoffentlich gut kochen können?”

Der Oberst seufzte tief auf und sagte dann:

„Liebe Paula, solange sie nun dei mir ist, und das sind nun schon volle sechs Tage, hat sie uns mit erstaunlicher Konsequenz einen Tag wie den andern dasselbe gekocht und abends bekommen wir's aufgewärmt, nicht Christian?”

„Zu Befähl, Herr Oberscht! Sie hat 'sagt, das geh halt am schnellschten!”

Allgemeines Gelächter. — „Was ist denn das für ein wunderliches Gericht?” erkundigte sich der Rittmeister.

„Hammel- oder Rindfleisch mit Kartoffeln und gelben Rüben zusammengekocht. Am ersten Tage nannte sie es „Gulyas”, am zweiten figurierte es unter dem Namen„Hotsch-potsch” auf der Speisekarte; am dritten Tage fragte ich: „Na Barbara, was hat Sie uns denn heute gekocht?” — „Pickelsteiner-Fleisch”, Herr Oberst!” - Was kommt auf den Tisch? Ich roch's schon vor der Thüre — das Gericht der vorigen Tage! Donnerkiel, das kann einem doch über werden!&rdquo

Wieder lachte alles zusammen.

„Aber ihr Charakter, Kurt, der ist doch gut, was?” erkundigte Alice sich teilnehmend.

„Charakter! ja, was heißt Charakter?! Sie wird wohl noch keinen totgeschlagen, auch sonst kein Verbrechen verübt haben, aber von irgend welchen angenehmen und besonders weiblichen Eigenschaften kann ich partout nichts entdecken. Ja, denkt Euch, komme ich da neulich in den Garten, da wo der alte Rußbaum steht, hat sie ein Bohnenfeld angelegt — derart Arbeit versteht sie aus dem ff —, ich hatte meine dünnsohligen Hausschuhe an, so daß sie mich nicht kommen hören konnte, — sie stand da und drehte mir den Rücken zu. Wie ich näher komme, riecht es so verdächtig nach echtem Wald- und Wiesenknaster, und nu — paff — paff steigt eine dichte Wolke nach der andern auf, daß ne Zeitlang von Barbaras Kopf nichts mehr zu sehen war. „Jum Donnerwetter!” sage ich,„was ist denn das, seit wann raucht denn ein Frauenzimmer wie ein Türke!”

„Es - es - - is sich nur vonwege die Mücken, Herr Oberst!” brachte sie endlich zu ihrer Entschuldigung hervor.

„Hahaha,” lachte Lobenstein, „das ist ja ein kapitales Weib!”

„Und wieder ertappe ich sie gestern darauf,” fuhr der Oberst fort,„wie sie die Bierflasche an den Mund setzt und einen Zug daraus thut, den ich ihr nicht nachmache!”

„Nanu,” sage ich, „das macht sich ja ganz allerliebst bei einem Frauenzimmer, warum nimmt Sie denn kein Glas, wie andere Christenmenschen?”

„Es geht sich dabei so viel Geist heraus!” meinte sie philosophisch.

„Ja, was will man dazu sagen! Das eine kann ich Dir mit gutem Gewissen zugeben, Paula, ich habe eine Haushälterin ohne jeden Reiz! Und deshalb sollst Du jetzt auch Deine Bowle bekommen. — da ist er ja schon!”

Christian erschien eben mit einem Tablet voll Gläsern und kleinen Kuchentellern.

Auf einem Seitentischchen stand die Bowle, deren Größenverhältnisse vielversprechend waren, schon lange im Eisbehälter.

„Wie gefällt Dir denn die Barbara?” frug Alice den Burschen, welcher als altes treues Faktotum gerne manchmal ins Gespräch hineingezogen wurde.

„Ha, sie ischt arg wüscht, Frau Rittmeischter,” schmunzelte Christian, „aber i moin, e scheene Poschtur(Figur) hätt se doch!”

Die anderen amüsierten sich köstlich über dies ungewohnte Zugeständnis.

„Gib mir mal das kleine Glas her!” rief der Oberst; nun kam ein weihevoller Moment: langsam, um den Satz der Walderdbeeren nicht aufzurühren, schöpfte er den Probetrunk in das Glas, hielt es dann erst gegen das Licht, dann an die Nase, und nun setzte er bedächtig an und schlürfte langsam in kleinen Zwischenräumen das goldschimmernde, duftende Naß herunter.

„Kinder, ich sage Euch, das ist'n Böwlchen!” rief er dann verklärten Antlitzes. „So eins setzt Euch auch nicht jeder an! Nicht ein Gramm Zucker zuviel oder zu wenig! Nu gib mal das Tablet mit den Gläsern her, Christian! So, siehste wohl, nu reich's herum, Junge, nicht wackeln! Und nun, Kinderchens, stoßt mit mir an auf den Wein, den Sorgenbrecher, der uns erst zur wahren Pfingstfreude verhelfen soll, der solch einen alten Knaben, wie ich einer bin, wieder jung macht!”

„Er lebe hoch— hoch— hoch!”

Sie setzen sich nieder, der Oberst wischte sich die Tropfen aus seinem grauen borstigen Schnurrbart und ließ sich von Christian die lange Pfeife anzünden. In Gegenwart von Damen gestattete er sich dies nur im Freien.

„Onkel Oberst!” rief Paula, welche auf dem Geländer der Pergola saß und emsig eine Orange zerteilte, „wie hieß auch noch das Getränk da, weiß: Du, im Feldzug!”

Der gute Oberst merkte wohl, wie der Schelm in sich hineinkicherte und mutwillig den andern Zeichen machte, die ihn nun auch bestürmten, so daß er — aber er that's — zum neunundneunzigstenmal die Episode erzählte.

„Ja, Paulachen,” fing er an, sich behaglich zurechtrückend, „das war ein anderes Zechen als heute, anno dazumal, als wir mit den Ostpreußen in Bievre, in der Villa Charon zusammenlagen. Wir konnten ja schon einen gehörigen Stiefel vertragen, aber was die Kerle leisteten, nee das überstieg das Menschenmögliche. Wenn wir nun abends zusammensaßen, dann wurde die „schwarze Suppe” aufgetragen, wie sie's nannten.

Das war zur Hälfte schwerer alter Rotwein, zur Hälfte Kognak, dann der nötige Zucker und nun wurde das Ganze angezündet und brennend auf den Tisch getragen. Das gab immer ein Hallo! Aber eine ausgepichte Gurgel mußte man da schon haben, denn das Teufelszeug brannte höllisch. — Du hättest es einfach nicht herunterbekommen, Kindchen!” schloß der Oberst unter lebhaftem Beisall.

Lobenstein hielt einen launigen Toast und „hoch — hoch — hoch!” klang es mit hellen Frauenstimmen durch die Abendluft, sekundiert von den tieferen Stimmen Lobensteins und Christian's, welcher sich heimlich die Augen gerieben hatte, als sein Herr des Feldzugs gedachte.

„Christian, hör mal, Junge,” sagte der Oberst dann, „da ist noch das kleine Böwlchen, es steht im Haus, im Eisschrank, das nimmst Du Dir und bringst die Barbara mit, — das arme Frauenzimmer soll doch auch mal so'n Tropfen auf die Zunge bekommen, ist ja nur einmal Pfingsten im Jahr! Und dann setzt Ihr Euch dort auf die Bank vor dem Pavillon und laßt es Euch schmecken. Allons!

Christian machte Kehrt und setzte freudig bewegt seine Säbelbeine in Bewegung.

„Hurra! da kommen sie” rief nach einer Weile Alice, welche extra aufgestanden war, um das merkwürdige Paar aufmarschieren zu sehen.

„Und sieh nur mal die Gläser, die sie gepackt haben.” schrie der Rittmeister voll Entzücken über den Spaß, „das sind gleich Schoppengläser!”

„Es trinkt sich schneller daraus, Herr Rittmeister” erklärte Barbara, ungerührt von dem Lachen, welches ihre Worte hervorrief.

Die kleine Bowle wurde auf den Gartentisch postiert, Christian füllte die Gläser und teilte hinzutretend mit, daß er sich erlaube, auf das Wohl des Herrn Oberscht, des Herrn Rittmeischters, sowie der Frau Rittmeischter sowie der Freilein Baula das Glas zu leeren, welchen Worten er die That folgen ließ. Jungfrau Barbara dagegen that ein übriges und stieß mit den Herrschaften an.

„Donner und Doria!” schrie der Oberst, als er ihr halbes Glas hinten in den Halsausschnitt gegossen bekam.

„Sie Tolpatsch, was unternimmt Sie auch solche Dinge!”

„Macht nichts Herr Oberst,” beruhigte ihn Barbara mit dem dümmsten Gesicht der Welt, „ist sich noch mehr Wein da!”

„Höre mal, Kurt, die Person ist unbezahlbar,” lachte der Rittmeister. „das Gesicht von ihr, als sie den Trost spendete”

„Ich danke für solche Witze!” brummte der Oberst, welcher sich ziemlich unbehaglich in den feuchten Kleidern fühlte. „Du kannst sie ja engagieren, ich halte sie nicht, meinetwegen kann sie gleich heute abend mit Dir gehen!”

„Wollen wir nicht jetzt was Nettes singen,” rief Paula dazwischen, um den Onkel in Stimmung zu versetzen. „Das kannst Du ja auch: „Wohlauf noch getrunken den funkelnden Wein”. Also eins — zwei — drei, los!”

Das ließ sich der Oberst gefallen und gerne begleitete er mit seinem rauhen Baß die anderen, und nun: „Juvivallera, junivallera - ” — heißah, wie er das schneidig herausschmetterte, aber noch eine Stimme gesellte sich dem Quartett bei, ach was, Stimme: ein heiseres, gurgelnde Grunzen, welches vernehmlich von draußen hereinschallte, wo die beiden saßen.

„Was ist denn denen in die Krone gefahren!” rief der Oberst aus, jählings abbrechend,„ja, ich kann nicht mehr!”

Er blieb allerdings ziemlich fassungslos auf der obersten Treppe stehen und blickte, während sein Schnurrbart vor Empörung förmlich zitterte, auf die Druntensitzenden. Leise kamen auch die drei anderen herbei, Paula und Alice bissen in ihre Taschentücher, um nicht laut aufzulachen.

Da saßen die beiden kreuzfidel; Barbara hatte den linken Arm um Christians Hals gelegt, in der Rechten hielt sie das Glas und fuchtelte damit herum:„Juvivallera, juvivallerallarallala — — — juchhe!”

„Jetzt sind Se aber ruhig!” brachte Christian schreckensbleich hervor, „was würd denn der Herr Oberscht von uns denke!

„Ist sich ganz egal!” lallte Barbara, über welche der Geist sich anscheinend herabgelassen hatte. „Was Herr! So jung kommen wir nie mehr zusammen — trink Bruder, Prost”

„Ja, schäme Se sich denn gar net”” rief Christian, förmlich empört aus, „benimmt sich denn so e Frauensmensch!”

„Hoho! sehr gut! Ich hab genug von die Kragen und die Schürzen und die lange Röck” schrie Barbara, welche in die Höhe getaumelt war und mit lautem Gelächter die genannten Gegenstände herunterriß. Als sie sich auch wirklich das Rockband aufnestelte, kam Bewegung in den erstarrten Oberst, wie ein Tiger warf er sich auf sie und schrie wütend:

„Es sind Damen zugegen! Wenn Sie sich nicht schämt, so nehme Sie sich der anderen wegen zusammen! Packe Sie sich aus dem Haus!”

Die Hin- und Hergeschüttelte hielt es nun am geratensten, die Flucht zu ergreifen, aber sie stolperte über den fallenden Rock und als sie sich mühsam wieder erhob, präsentierte sie sich der Gesellschaft in echten und gerechten Mannerbeinkleidern, und die darin steckende Person suchte schleunigst das Weite.

„Onkel, es ist ja ein Mann” es ist gar keine Frau!” rief Paula hastig, als der Oberst hinterhersetzen wollte. „Ach Du, ich bin ganz krank vor lauter Lachen! Ee war gar nur ein Spaß von mir, und gelt, Du bist nicht bös?

Ein Mann: Keine Frau! Ein richtiger Mann!” stammelte der Oberst, als er wieder etwas zu sich kam. „Aber Paulachen, was fängst denn Du für Sachen an?!”

„Es war zu verlockend, Onkel! „Eine Haushälterin ohne jeden Reiz!!” Weißt Du. die Idee verdient ja Strafe! Und da fiel mir der Joseph Pollack bei Brandts ein und die haben ihn mir gleich gepumpt. Ach. Onkel, nein, es war doch zu witzig!!”

Und der Oberst mußte, ob er wollte oder nicht, mitlachen.

„Schade, ” meinte er zwar, „sie war so ohne jeden Reiz. Na, kommt, Kinderchens, laßt uns noch einmal eins auf den Schrecken trinken! Prost!”

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